Direkt zum Hauptbereich

DER MÄANDER III

 



No matter how hard we try to put the most important things into words, it is always like toe-dancing in clogs. 

            Sigrid Nunez



Eine wirklich große Essayistin ist Joan Didion - em-pfehlenswert ist übrigens eine relativ neue Dokumentation über sie, Die Mitte wird nicht halten, auf Netflix, von ihrem Neffen, dem Schauspieler Griffin Dunne, den Ihr sicher aus Filmen kennt -. 






Sie war eine große Stilistin. Ich hoffe, das läßt sich mit einiger Berechtigung sagen, auch wenn man noch gar nicht all ihre Bücher gelesen hat - im Übrigen, welch eine Freude!. 

Es besteht allerdings die Gefahr, dass einem das Gesagte bzw. das Geschriebene - allerdings klingt es oft, vor dem inneren Ohr, obwohl extrem komplex, wie gesagt - wieder entschlüpft, entwischt. Es ist schwer, den Inhalt dieser Sätze festzuhalten. Ihre Prosa ist so musikalisch, dass sie wie Musik im Tunnel der Zeit zu verschwinden droht. Dabei leuchtet sie hell. Und verdunstet, vergeht wie die blauen Stunden - so ein Titel - und lässt die Kategorien hinter sich. 

Was sind das für Texte? Egal! 

Und diese Wiederholungen! Anstatt komplizierter Gedanken-gänge manchmal einfach nur eine Wiederholung oder mehrere, und die dadurch entstehende Emphase klärt den Sachverhalt.

Intellektuelles Verständnis kann sehr tief reichen, aber letztlich müssen alle Bereiche des Lebens an der Feier des Bewusstseins beteiligt sein. Ich glaube, das hat Frau Didion gespürt, wenn sie Sätze wiederholt oder akribisch an ihrem Stil feilt. 





Fast scheint es, als könne man den Zeitgeist anfassen. Insbesondere im weißen Album. The White Album - natürlich standen die Beatles für die Einheit des Disparaten Pate, denn dieses Doppelalbum enthält ja wohl alles, was zu der Zeit musikalisch so möglich war und hält doch zusammen.





Und noch eine große Amerikanerin - mit deutsch-chinesisch-panamaischen Wurzeln -: Sigrid Nunez. 

Beispielsweise What You Are Going Through: das mäandert, wie immer bei ihr und vielleicht hier noch stärker als sonst, in ein opulent ausgedehntes Delta hinein. Aber mit welcher Wucht und gleichzeitig Stilsicherheit sie in diese kleinen Geschichten hineinspringt, die ja eigentlich nur Anekdoten sind, das ist schon sehr erstaunlich: man/frau ist sofort, nach einem Satz schon, mittendrin. Und dennoch gibt es einen roten Faden, werden bestimmte Elemente dieser verschie-denen Stränge immer wieder aufgenommen und weiterge-sponnen.

Oder A Feather On The Breath Of God: eine wunderbare Komposition: der Text erweckt den Anschein, als handele es sich um die Portraits ihrer Mutter und ihres Vaters. Damit zumindest beginnt das Buch, bis sie dann von sich selbst spricht. Aber in dem Moment hat man/frau schon den gesamten Hintergrund ihrer Existenz parat, und das führt dazu, dass die Beschreibungen ihrer eigenen Lebenswelt fundiert und weniger ichbezogen wirken, als es sonst der Fall wäre.

Im vierten Teil blättert die Autorin mithilfe des Portraits ihres russischen Geliebten, das gespickt ist mit seinen und ihren Widersprüchen, Vorurteile auf wie einen Fächer. 

Empfehlenswert ist aber auch The Friend.




Eine andere interessante Essayistin scheint mir Annie Dillard zu sein. Allerdings kenne ich von ihr nur den schmalen Band Teaching A Stone To Talk. Sie schreibt in leicht kryptischer Weise über natürliche Prozesse, Landschaften und Tiere. Does a dog have Buddha-Nature? könnte ihr Koan sein.

Beispielsweise berichtet sie davon, was ein Wiesel tut und kann und wie sie einem begegnet, im Vorstadtbiotop in der Nähe ihrer Wohnung: »Our eyes locked, and someone threw away the key.« Sie schreibt, dass sie kurz, für Sekunden, im Gehirn des Wiesels war. Und fragt sich später, warum es danach verschwunden ist, das Wiesel. Und vermutet, es lag daran, dass sie diese Begegnung erinnern wollte und dass das Wiesel diesen »yank of separation« gespürt hätte.





Kommentare sind wie immer willkommen.

now@stefan-hardt.com























Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

ARCADIA REMIX

Die Fotos, die man hier, in Milina, zwischen Thessaloniki und Athen, in der Region Pilion, ohne großen Aufwand machen kann, zeugen partiell von Zerstörung, Zerfall, Vernachlässi-gung, aber auch davon, Dinge sein zu lassen, bis sie eben zerfallen oder sich auflösen.  Der größte Teil der Zerstörung und ein geringerer des Zerfalls sind naturgegeben, die Vernachlässigung hingegen beruht auf dem konservativen Geist, gemischt mit freundlich-anarchischem laissez-faire.  The photos you can take here, in Milina, between Thessaloniki and Athens, in the region called Pelion, without great effort, partially witness destruction, decay, neglect but also to let things be till they just disintegrate or dissolve.  The greatest part of destruction and a lesser one of decay are natural, whereas neglect is based on the conservative spirit, mixed with friendly-anarchistic laissez faire.   Arcadia Remix : Dabei geht es keineswegs um eine möglichst objektive Bestandsaufnahme der Situatio...

DER MÄANDER IV

  Those writers who believe that the way they write is more important than whatever they may write about - those are the only writers I want to read anymore, the only ones who can lift me up.                                                                       Sigrid   Nunez                                                             Im Folgenden noch ein wahrer und vorerst letzter Mäander, ein  Mäander  auch im Hinblick auf den Stellenwert der Sprache im Zusammenwirken mit der jeweiligen Geschichte, darauf, wie gelungen diese Sprache die Handlung transportiert.  Es sind ein paar Tip...